Kayleigh und die wilden Tiere

Kayleigh und die wilden Tiere

Jeder Hund hat ja so seine eigenen Vorlieben. Eine von Kayleighs Vorlieben ist es, das Rudel mit Futter zu versorgen. Alle Versuche ihr klarzumachen, dass unsereiner dafür die Convenience von Lidl, Rewe & Co vorzieht, und es nicht zwingend eines frisch erlegten Hasens bedarf, waren nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Sie ist nunmal eine Jägerin. Um die Spaziergänge für uns alle entspannter zu machen und ihr auch im Wald Freilauf ohne Schleppleine zu ermöglichen, habe ich mit ihr einen dreitägigen Anti Jagd Workshop besucht. Es war für uns beide ein sehr intensives und interessantes Wochenende.

Theorie

Am Freitag war erstmal nur Theorie angesagt. Aber auch die Aufgabe, sich mit so vielen fremden Menschen und Hunden in einer großen Halle aufzuhalten und in Ruhe auf dem Platz zu bleiben, während ich mir einen Kaffee hole, ist ja auch schon mal ein tolles Training. Da zahlen sich die regelmäßigen Besuche in der Hundeschule aus.

Praxis

Brav!

Am Sonnabend sind wir dann in den Wildpark Lüneburger Heide gefahren. Hier ging es darum, sämtliches Interesse an all den freilaufenden Tieren in den Gehegen von vornherein zu unterbinden und Kayleigh immer wieder zu mir zurück zu lotsen. Nicht nur körperlich, sondern mit voller Aufmerksamkeit und Augenkontakt. Das war schon eine Herausforderung, denn Madame ist wie bereits erwähnt sehr stark am Außen interessiert.

Die freilaufenden Rehe im Wildpark sind an Menschen und Hunde gewöhnt, und kommen in der Hoffnung auf Leckerlis bis auf Tuchfühlung heran. Beim ersten Mal sind alle Teilnehmer einzeln mit ihren Hunden ins Gehege gegangen. Drei Trainer der Hundeschule waren immer dabei, um genau zu beobachten wie die Hunde reagieren, und um angemessen darauf reagieren und Tips geben zu können.
Die Situation war für die Hunde schon eine gewisse Herausforderung. Massen an Menschen, Kinder- und Bollerwagen, Rollatoren, Fahrräder, andere Hunde, schreiende Kinder, das volle Programm.

Es war schön zu sehen, wie aufmerksam aber zugleich entspannt Kayleigh damit umging.
Dass wir noch deutlich am Rückruf arbeiten müssen, war mir schon vorher klar, sonst hätte ich diesen Workshop ja gar nicht machen müssen.

Und Action

Geht doch!

Am Sonntag haben wir dann viel Feedback von den Trainern bekommen. Sie erklärten jedem einzelnen sehr detailliert, was sie im Wildpark beobachtet hatten. Sowohl im Bezug auf das Verhalten des Hundes, als auch des Halters. Denn schließlich ist ja erst das ausgewogene Zusammenspiel von Hund und Halter, das eine gute Erziehung möglich macht.

Und dann ging es an die Arbeit mit der Hasenzugmaschine. Ziel war hier der Rückruf. Und falls der nicht funktioniert ein Abbruch, der den Hund deutlich beeindrucken sollte.
Die gesamte Strecke war ca. 300 m lang und verlief um eine Hausecke herum, so dass das Ende nicht zu sehen war. Wenn die Hunde dann statt auf den Rückruf zu reagieren um die Ecke herumflitzten, sollten sie mit einem „Gießkannen Regen“ begrüßt werden. Soll heißen, dass vor den Hund ein paar Plastikgießkannen geworfen werden, wodurch sie dann hoffentlich so beeindruckt sind, dass sie umdrehen und zum Halter zurücklaufen.
Hier kam es natürlich auch ganz viel auf das richtige Timing an. Als ich mit Kayleigh auf das Gelände ging, wurde der „Hase“ erstmal nur ein paar Mal angezogen, damit er sich ein bisschen durchs hohe Gras bewegt. Kayleigh reagierte dann auch so, wie ich es erwartet hatte. Sie guckte interessiert, was sich da wohl bewegt und trabte locker an. Ich habe extra den Moment abgewartet, in dem sie richtig durchstartet, das Ding vor ihr weg flitzt und sie dann natürlich nicht mehr auf meinen Rückruf reagiert. Dann war sie aber auch gleich richtig schnell, so wie wir sie kennen, unsere Picards. Die eine Trainerin sagte hinterher: „Naja, ich dachte die läuft da so locker los, das interessiert sie gar nicht, aber als sie dann los gesprintet ist, macht sie ja mit einem Satz so viel Meter, wie meine mit vier Sätzen!“

Kayleigh flitzte also mit dermaßen viel Speed um die Ecke rum, dass die Plastikgießkannen tatsächlich erst hinter ihr landen und sie damit erstmal noch weiter nach vorne trieben statt zu mir zurück. Sie war dennoch deutlich beeindruckt, sehr flach und sehr verunsichert. Auf meinen Rückruf reagierte sie dann umgehend und war ruckzuck wieder bei mir. Dann musste ich sie natürlich ausdauernd bemitleiden, was sie da denn da gerade Schreckliches erlebt hat. Es war schön zu sehen, wie stabil sie ist. Nach noch nicht einmal einer Minute war sie aus der Schrecksituation raus, ließ sich von mir anleinen und ging schon wieder schnüffelnd mit mir vom Gelände runter. In der Mittagspause war sie dann allerdings schon noch deutlich anhänglicher als sonst.
Nach dem Mittagessen kam dann der zweite Versuch mit der Hasenzugmaschine.
Was glaubt ihr wie Kayleigh reagiert hat?
Sie ist noch ganz locker mit mir auf das Gelände gekommen. Ohne Angst, ohne Wegziehen, ohne Panik. Aber in dem Moment, als sie den „Hasen“ wieder gesehen hat, ging ihr Blick zu mir hoch und ihre Augen sagten: „Das ist jetzt nicht dein Ernst! Den Scheiß hier mache ich nicht noch mal mit!“
Ich bin dann mit ihr weiter aufs Gelände gegangen, dem hoppelnden „Hasen“ hinterher. Kayleigh blieb hinter mir und hat mich von hinten angesprungen, wollte mich zurückhalten. Auf den Kram hatte sie einfach keinen Bock mehr! Sie ließ sich dann locker Anleinen und war sichtlich erleichtert, das Gelände mit mir verlassen zu können.

Fazit

Wir haben viele Hausaufgaben bekommen bezüglich des häuslichen Programms, des Rückrufs und der Ressourcen Verwaltung. Frei nach dem Motto ‚was im Garten nicht funktioniert kann auf freier Wildbahn auch nicht funktionieren‘.
Es war sehr interessant Kayleigh in diesen Situationen zu beobachten, noch mal anders beurteilen zu können und natürlich auch mein eigenes Verhalten gespiegelt zu bekommen. Denn dadurch habe auch ich gelernt, woran wir noch arbeiten müssen.